Space policy: The lights are red for strategic positioning and SMEs. (A commentary)
Erster September – der Herbst steht vor der Tür. Fallen werden bald die Blätter, so wie jedes Jahr. Fallen werden auch Entscheidungen, wie etwa über den nächsten Bundeshaushalt – ebenfalls wie jedes Jahr. Zum ersten Mal aber in der Geschichte der Raumfahrtpolitik drohen diese Budgetentscheidungen besonders jene Teile der Raumfahrtindustrie zu Fall zu bringen, als deren weiße Ritter sich die verantwortlichen Politiker in der Öffentlichkeit aller Wirklichkeit zum Trotz unverdrossen weiter präsentieren: Raumfahrt zum Schutz für die Erde und zum Nutzen der Menschen, wirtschaftliche Stärkung von Innovation durch den Mittelstand, Euphorie bei der Neugründung von Startups und nicht zuletzt den strategischen Wunsch Deutschland als starken Partner in der Weltwirtschaft und -politik zu behaupten.
Für diese Ziele schaltet die Ampel in Berlin aber nicht nur allein durch geplante Budgetkürzungen auf Rot: Mit den schon im April für die Diskussion im Herbst aufgemalten Eckpunkten einer neuen deutschen Raumfahrtstrategie, über die ebenfalls im Herbst beschieden werden soll, deutet sich unumkehrbar ein negativer Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik zur Raumfahrt an: da, wo „Resilienz“ gefordert wird, mit fliegenden Fahnen hin zur Großindustrie, da, wo „Exzellenz“ gezeigt werden soll, hin zur weiteren Stärkung der Staatsinstitutionen, dort, wo „Souveränität“ gefragt ist, im Eilschritt hin zum Fortdelegieren von Zielsetzung und Programmführung unter den Rocksaum der mächtigen EU. Und die deutsche Raumfahrt profitiert von noch mehr Engagement der Politik: Die für jede politische Sonntagsrede ach so wichtigen Startups erhalten kostenlosen Nachhilfeunterricht im Umgang mit der Bürokratie und ihren Antragsformularen, die Forschungslandschaft wird effektiver durch bessere Vernetzung, und KMU, die Kraft aus der Mitte? Sie erhalten Unterstützung auf neuem Niveau – moralisch. Oder wie sollte sonst eine Budgetkürzung bei einer weltweit anerkannten Zukunftstechnologie und -fähigkeit (z.B. die Beteiligung an Infrastrukturthemen wie für eine europäische satellitengestützte Kommunikation IRIS²) mit einer Neuauflage einer Raumfahrtstrategie zusammenpassen?
Offenbar sollen also nun beide Handlungsstränge, das Kürzen des Raumfahrtbudgets und die neue, ausdrücklich für jedwedes Budget passende Raumfahrtstrategie harmonisch bei der Gestaltung der künftigen Raumfahrt-Wirtschaftspolitik zusammenwirken. Das Ganze so gekonnt formuliert, dass der flüchtige Leser meinen könnte, es ginge voraus in die helle Zukunft und nicht zurück ins dunkle Mittelalter der Raumfahrtpolitik.
Noch ist es nicht so weit, und damit es auch nicht so weit kommt, hat Ernst K. Pfeiffer in seiner Funktion als Sprecher des Raumfahrt-Mittelstandes (AKRK und Best of Space) zusammen mit deren Mitgliedern noch im Juli einen offenen Brandbrief im Namen der engagierten deutschen Raumfahrt-KMU und Startups direkt an den Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben und zudem das Angebot von Finanzminister Christian Lindner zum Dialog im August angenommen, um auf die drohenden Gefahren wirtschaftlicher und strategischer Verluste hinzuweisen.